Lächelnd, im schicken Hemd und mit Brille sitzt Zain Akash auf einer Stufe bei der Hubbrücke in Magdeburg. Er hat gerade sein sechstes Semester an der Hochschule Magdeburg-Stendal abgeschlossen. Der 26-jährige macht seinen Bachelor in Wasserwirtschaft und gehört zu den besten zehn Prozent seines Studiengangs. Mit einem Strahlen auf dem Gesicht erzählt er, von seinem heutigen Leben – zum Beispiel davon, wie er manchmal seine Freunde und Freundinnen nach Hause einlädt und für alle kocht oder letztes Jahr Urlaub in Spanien gemacht hat.  Und für sein Studium, berichtet der junge Mann stolz, hat er ein Stipendium bekommen. Da muste er eine Rede halten, das habe ihn schon etwas nervös gemacht, erinnert sich Zain.

Früher war alles anders. Zain kommt aus Syrien. Doch seine Heimat musste er verlassen: Aufgrund der Gewalt, den Raketenagriffen und der Gefahr, verhaftet zu werden. „Ende 2015 wurde das Leben sehr schwer für mich. Ich wurde bedroht und musste fliehen“, erzählt er. Sein Lächeln ist verschwunden. Stattdessen schaut er ernst. „Mein Bruder wurde im Jahr davor verhaftet. Ich hätte der nächste sein können. Dazu hatte ich Angst zum Militär eingezogen zu werden. Ich wollte keine Menschen umbringen. Und dann gab es schwere Kämpfe und Raketenbeschuss.“  Allein sei er nach Deutschland gekommen, berichtet Zain weiter. Das war im Oktober 2015. Seine Eltern seien noch in Syrien, in seiner Geburtsstadt Homs. Seine Geschwister leben in der Türkei.

2011 ist in Syrien ein verheerender Bürgerkrieg ausgebrochen. Von den 18 Millionen Bürger*innen sind über 12 Millionen Vertriebene. Die überwiegende Mehrheit der syrischen Bevölkerung lebt in Armut, viele sind aus ihren Häusern vertrieben oder leben unter prekären Bedingungen in ihren zerstörten Gemeinden.
Foto: A Hammam / ̽ѡ

In Deutschland angekommen, hat sich Zain gleich an die Arbeit gemacht. „Von Anfang an war ich fleißig, habe gleich einen Sprachkurs gemacht und anschließend direkt mit dem Studium angefangen.“ Geflüchtete, die in Deutschland studieren wollen, müssen einen Sprachkurs machen und dann zwei Semester lang einen Studienvorbereitungskurs absolvieren. Die Sprachprüfung in Deutsch für den Hochschulzugang (DHS) hat Zain als einer der Besten bestanden. „Was hat sich seitdem geändert? Meine Lebensweise zum Beispiel. Ich habe viel kennengelernt und habe mich integriert. Es wird jeden Tag etwas leichter.“

Die Bewerbung auf den Studiengang Wasserwirtschaft sei für ihn keine Herausforderung gewesen, sagt er. Er habe es allein geschafft. Zwei Dinge seien dafür wichtig gewesen: Eine gute Vorbereitung und der Kontakt zu Menschen, die Deutsch sprechen. „In Syrien habe ich ein Geologiestudium angefangen,“ erzählt Zain weiter. Er war im dritten Jahr an der Al-Baath Universität in Homs eingeschrieben. Dann wurde die Stadt zerbombt. „Ich musste fliehen. Hier habe ich dann ein neues Leben angefangen. Ich habe festgestellt, dass das Grundwissen von Geologie  dem der Wasserwirtschaft ähnlich ist. Das hat mir beim Studium in Deutschland dann sehr geholfen. Ich könnte mir vorstellen, hier weiterzumachen.“

Zain im weißen Kittel im Chemielabor der Hochschule
Zain studiert an der Hochschule Magdeburg-Stendal Wasserwirtschaft. In Syrien hat er Geologie studiert, konnte sein Studium aber nicht abschließen, weil er fliehen musste.
Foto: Zain Akash

Um sein Studium zu finanzieren, bewarb sich Zain auf das Otto-von-Guericke Stipendium für internationale Studierende. Die Bewerber*innen müssen vor allem gute Noten und soziales Engagement nachweisen. Zain gehört zu den Besten und setzt sich für andere Menschen ein, die seine Unterstützung brauchen. „In der Hochschule engagiere ich mich im Buddy Programm“, erzählt er. Dabei unterstützt er internationale Studierende, die ein Auslandssemester an seiner Hochschule in Magdeburg machen.

Dazu arbeitet er für verschiedene Einrichtungen, die Geflüchtete unterstützen – zum Beispiel im Bildungsbereich. „Und ich habe auch Minderjährigen bei der Flüchtlingshilfe geholfen,  dolmetsche für drei Familien und helfe ihnen dabei, Formulare ausfüllen.“

Portätaufnahme von Zain. Hinter ihm fließt die Elbe und man sieht Teile von Magdeburg.
„Kochen ist mein Hobby. Das mach ich seit Jahren. Manchmal koche ich auch für viele Leute. Orientalische, syrische Gerichte und Süßigkeiten.”
Foto: Marie Plesse/̽ѡ

Dankbar erzählt Zain, wie auch er am Anfang unterstützt wurde, als er in einem Aufnahmezentrum lebte bei Biederitz lebte. „Die Einwohner und Einwohnerinnen von Biederitz haben ein Netzwerk gegründet, um den Flüchtlingen beim Ankommen zu helfen. Es waren 15 Engagierte; Sie haben einen Sprachkurs in einer Kirche in Biederitz organisiert. Sie haben uns bei allem geholfen – haben uns Kleidung gegeben und  bei Behördengängen unterstützt.“ Mit einem Paar aus Biederitz habe Zain immer noch regelmäßig Kontakt. Sie treffen sich manchmal in der Stadt, er besucht sie in Biederitz und manchmal verreisen sie zusammen: „Das war unsere erste Hilfe. Und ich hab immer noch Kontakt zu ihnen. Das sind meine Freunde.“

Als Zain vor fünf Jahren nach Deutschland kam, wurde im Land schon heftig diskutiert. Bis Dezember 2015 registrierte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bis zu 890.000 Asylsuchende in Deutschland. Bundeskanzlerin Merkel zeigte sich damals optimistisch „Wir schaffen das“, sagte sie in einem Interview und wurde daraufhin von vielen gelobt und von eben so vielen heftig kritisiert. „Deutschland hat viel gegeben“, sagt Zain. „Ich hatte die Möglichkeit, mein Leben hier neu aufzubauen. Ich wurde unterstützt. Auch viele andere haben ihren Weg gefunden und ein neues, gutes Leben angefangen.“

Zain wünscht sich, sein Studium abzuschließen und Arbeit zu finden. Gerne würde er seine Eltern wiedersehen. Und auch die Hoffnung, dass die Menschen in Syrien irgendwann wieder ein Leben in Frieden führen können, hat er nicht aufgegeben.

Zain sitzt auf einer Bank und liest in einem Buch
Für Zain ist jetzt schon klar, was er nach seinem Bachelorabschluss machen möchte: „Wenn ich fertig bin ist mein Ziel erstmal, einen Master zu machen.“
Foto: Marie Plesse/̽ѡ