Ali, Beate und Frank haben eines gemeinsam: Sie leben im Burgenlandkreis in Sachsen-Anhalt und engagieren sich dort für Integration. Mit anderen Ehrenamtlichen arbeiten sie daran, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken und Vorurteile abzubauen - sowohl gegenüber Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund als auch gegenüber dem Thema Integration im ländlichen Ostdeutschland.
In diesem Artikel berichten sie von Chancen und Herausforderungen und verraten, was diese Region zu einem besonderen Ort für Integration macht.
Burgenlandkreis: Chancen für Migrant*innen im ländlichen Raum
̽ѡ ist in allen ostdeutschen Bundesländern aktiv, darunter auch im Burgenlandkreis. Der Landkreis beeindruckt nicht nur landschaftlich, sondern auch mit seiner progressiven Integrationspolitik. Mit 8,6 Prozent hat er einen deutlich höheren Anteil an Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit als die umliegenden Regionen. Viele von ihnen sind in den letzten zehn Jahren zugezogen.
2015, als mehr Schutzsuchende in den Landkreis kamen, rief Landrat Götz Ulrich die Bevölkerung dazu auf, die Zuwanderung als Chance zu sehen. Der Landkreis, der zuvor stark von Abwanderung betroffen war, brauchte dringend Fachkräfte. Ulrich reformierte die Verwaltung, bündelte wichtige Ämter in einem Gebäude und stellte zusätzliches Personal ein. Somit schuf der Landkreis eine bessere Erreichbarkeit für Zugezogene. Ulrich förderte auch das Engagement der Zivilgesellschaft, wodurch zahlreiche lokale Initiativen entstanden. Gemeinsam besetzten Behörden, soziale Projekte und Unternehmen viele offene Stellen mit qualifizierten Migrant*innen.
Der Burgenlandkreis zeigt, wie erfolgreich Integration abseits der großen Städte sein kann. Persönliche Verwaltungsstrukturen, freier Wohnraum und Arbeitsplätze erleichtern die Eingliederung. Besonders wertvoll ist das starke ehrenamtliche Engagement, das den sozialen Zusammenhalt stärkt. Ali, Beate und Frank sind drei engagierte Menschen, die mit ihrer Arbeit die Integration im Burgenlandkreis aktiv gestalten.
Von Côte d'Ivoire in die ostdeutschen Weinberge
Ali ist 29 Jahre alt, kommt aus Côte d'Ivoire und lebt seit zehn Jahren im Burgenlandkreis. Im Vergleich zur 6-Millionen-Metropole Abidjan wohnt er heute im ruhigen Zeitz mit 65.000 Einwohner*innen. In der Heimat genoss Ali ein erfülltes Leben mit Familie, Freund*innen und seiner Leidenschaft, Fußball. Bereits ab der 9. Klasse lernte er Deutsch. Aus Sicherheitsgründen musste Ali als Jugendlicher Côte d'Ivoire verlassen. Drei Jahre dauerte seine Reise über Mali, Mauretanien, Marokko und Spanien. 2013 erreichte er Deutschland und wurde in einer Notunterkunft in Naumburg untergebracht.
Erste Schritte in Deutschland: Unterstützung und Chancen
Doch kurz nach Alis Ankunft wird Götz Ulrich Landrat und viele Initiativen zur Unterstützung Geflüchteter entstehen. Eine Sozialarbeiterin, Ehrenamtliche und die Ämter helfen Ali. Schnell bekommt er einen Platz im Sprachkurs und zieht aus der Notunterkunft in eine Wohngemeinschaft. „Viele Bekannte, die zeitgleich mit mir nach Deutschland gekommen sind, haben nicht so viele Chancen bekommen“, erzählt Ali. „Nach fast neun Jahren stehen manche noch immer da, wo sie am Anfang waren. Hier im Burgenlandkreis läuft es anders: Die Politik ist gut und es gibt viel Unterstützung. Wenn du bereit bist, mitzumachen, öffnen sich viele Türen.“
Durch seine offene Art knüpft er schnell Kontakte, spielt im Verein Fußball und unterstützt andere als Übersetzer oder Begleiter bei Behördengängen.
Ich habe nicht entschieden, in den Burgenlandkreis zu kommen. Aber ich habe entschieden, hier zu bleiben.
Schon als Kind in Côte d'Ivoire träumte Ali vom verschneiten deutschen Winter. Heute ist der Winter jedes Jahr eine Herausforderung. „Die Sprache kann man lernen, aber der Winter war so schwer. Wenn die Hände so kalt sind, dass man sie nicht mehr bewegen kann – das ist schlimm“, sagt er und lacht. Um Wärme in den Winter zu bringen, wurde Ali Heizungstechniker und schloss eine Ausbildung in Zeitz ab.
Herausforderungen und Vorurteile überwinden
Ali liebt seine Arbeit und den Kontakt zu den Kund*innen. Doch er erlebt immer wieder Rassismus. Vor ein paar Wochen schickte seine Firma ihn zu einem älteren Mann, um die Heizung zu reparieren. Der Mann schlug ihm die Tür vor der Nase zu. Erst nach Telefonaten mit der Firma ließ er Ali herein, beobachtete ihn aber misstrauisch bei der Arbeit. Als Ali fertig war, entschuldigte sich der Mann und gestand: Ich hatte Zweifel, weil Sie Schwarz sind.“ Ali erwiderte ruhig: „Schon gut, aber machen Sie das nicht noch einmal.“
Solche Erlebnisse gehören für Ali zum Alltag. Er konfrontiert die Menschen mit ihren Vorurteilen, bleibt dabei aber respektvoll. „Vielleicht hat der Mann gelernt, dass es nicht auf die Hautfarbe ankommt, sondern darauf, ob man seine Arbeit gut macht.”
Meditation hilft Ali neue Kräfte zu schöpfen. So bleibt er offen und geht auf Menschen zu, selbst wenn diese ihm mit Vorurteilen begegnen.
Neue Perspektiven durch Lernen und Einsatz
Neben seiner Vollzeitstelle nimmt Ali zweimal wöchentlich an einem Computerkurs für Fortgeschrittene im ̽ѡ-Projekt „CODE-UP“ teil. Der Kurs vermittelt ihm zusätzliche Fähigkeiten für die sich digitalisierende Heizungsbranche. Gleichzeitig engagiert sich Ali für geflüchtete Menschen und möchte seine Erfahrungen und positive Einstellung an andere weitergeben, die neu im Burgenlandkreis ankommen.
Ich bin stolz darauf, bei null angefangen zu haben. Vielleicht bin ich noch nicht ganz oben, aber ich habe mir hier etwas aufgebaut. Die Welt ist groß genug für alle. Wir können gemeinsam leben, wenn wir akzeptieren, dass andere anders sind - unabhängig davon, woher sie kommen, welche Hautfarbe sie haben, welche Religion oder politische Einstellung. Am Ende zählt nur eines: Menschlichkeit.
Beate und Frank: Eine Freundschaft für Integration
Beate und Frank aus Naumburg sind im ganzen Burgenlandkreis bekannt. Sie leiten gemeinsam die „“, eine Initiative, die Geflüchtete und Migrant*innen in allen Lebensbereichen unterstützt.
Von einer spontanen Aktion zur Lebensaufgabe
„Es ist schwer, ganz konkret zu beschreiben, was wir machen“, sagt Frank und beschreibt die Arbeit als flexibel und lösungsorientiert. „Wir reagieren auf das, was gerade gebraucht wird. Als die Ukrainer*innen ankamen, ohne Koffer oder Kleidung, haben wir in vier Tagen einen Laden angemietet und eine Kleiderausgabe organisiert. Wir werden angerufen, wenn jemand seine Fahrkarte nicht bezahlen kann, ein Formular auszufüllen ist, oder ein Widerspruch gegen Ablehnungsbescheide besprochen werden muss. Manchmal suchen wir einen Kindergartenplatz oder helfen, Konflikte zu entschärfen. Unser Vorteil ist, dass wir als kleine Gruppe schnell handeln können. Wir versuchen immer, für jede Herausforderung eine Lösung zu finden.“
Das Engagement für Integration ist der berufliche und private Mittelpunkt von Beate und Frank. Ihre Arbeit begann vor fast zehn Jahren, als 2015 viele Schutzsuchende nach Deutschland kamen. Wie viele andere Deutschen verfolgten sie die Nachrichten im Fernsehen. Zunächst zögerten sie, entschieden sich aber, den ankommenden Menschen mit anderen Freiwilligen Tee auszuschenken. Dabei lernten sich Frank und Beate kennen. Während viele Freiwillige das Interesse verloren, machten sie weiter. Sie wurden beste Freunde und gründeten die „Integration Naumburg gGmbH”.
Projekte und Kurse für eine bessere Zukunft
Frank räumt fast täglich mit Helfenden, meist jungen Männern mit Fluchterfahrung, leerstehende Wohnungen aus. Die Möbel verteilen sie an Familien. ̽ѡ-Projektleitung Anne Limpert, die selbst aus dem Burgenlandkreis kommt, initiierte die Zusammenarbeit zwischen ̽ѡ und Integration Naumburg. Gemeinsam mit Beate organisiert sie die „Cٷ-”-dzܳٱܰ, die auch Ali besucht.
Die Kurse finden im Café Engel statt, ein sozialer Treffpunkt in der Naumburger Engelgasse. Das Café ist auch ein Restaurant und finanziert die Projekte von .
Zusammenarbeit mit Behörden und Partnerorganisationen
Mit der Zeit wurden die Aufgaben vielfältiger und die Anfragen häufiger. „Kaum jemanden in der Region hat nicht unsere Nummer”, sagt Beate. Integration Naumburg arbeitet eng mit Partnern wie ̽ѡ, Behörden wie der Migrationsagentur, dem Bürgerbüro und Kindergärten zusammen. Beate schätzt diese Zusammenarbeit sehr. „Hier ist es landschaftlich wunderschön und wir sind sehr offen für Menschen aus anderen Ländern”, sagt Beate. „Unser Landrat hat in den letzten Jahren viel ermöglicht, was es anderswo nicht gibt. Wir arbeiten nicht gegen die Behörden, sondern mit ihnen und finden immer Ansprechpartner*innen.“
Doch ihre Arbeit bringt auch Kritik und Anfeindungen. Sie lassen sich davon nicht entmutigen, sondern denken an positive Momente. Frank erinnert sich an eine albanische Familie, die ihren Sohn nach ihm benannte, weil er ihnen so geholfen hatte. Beate denkt gerne an eine syrische Frau zurück, die sie zu einem Familientreffen einlud. Solche Momente geben ihnen Kraft und bestärken sie in ihrem Einsatz für ihre Mitmenschen.
Frank und Beate motivieren andere, sich zu engagieren. „Ich arbeite täglich mit Migrant*innen, oft mit Menschen aus Afrika. Wenn die Leute sie kennenlernen, ändern viele ihre Meinung. Ich ermutige alle, sich einzubringen. Unser Haus ist offen für Ideen. So sind schon tolle Projekte entstanden”, erzählt Frank.
Auch Beate ist froh, dass sie sich damals mit einer Teekanne auf den Weg gemacht hat. „Wer es ausprobiert, merkt schnell, wie viel Spaß und Freude Engagement bringen kann. Es ist erfüllend, vor allem bei kleinen Erfolgen”, erklärt sie. Ihr Tipp: „Such dir eine Initiative in deiner Nähe, setz dich dazu und schau, was sie machen.“
Ali, Frank und Beate bereichern das Leben im Burgenlandkreis - für neue und alte Bewohner*innen. Sie wünschen sich, dass mehr Menschen offen aufeinander zugehen und Vorurteile gegenüber Ostdeutschen, ländlichen Regionen, Geflüchteten und Migrant*innen hinterfragen. Gerade diese Offenheit vieler Einwohner*innen, mit einer Tasse Tee auf andere zuzugehen, macht den Burgenlandkreis so besonders.