Polystyrol, das vielen unter dem Markennamen Styropor bekannt ist, wird nicht nur zur Dämmung im Bau, sondern auch als Puffermaterial für den Versand empfindlicher Güter verwendet. Allerdings lässt es sich kaum recyceln und ist nicht biologisch abbaubar. Toxische Stoffe in weggeworfenem Hartschaum, wie beispielsweise HBCD in Dämmplatten, gelangen über Luft, Wasser und Boden in die Nahrungskette.
Wir haben mit dem Wissenschaftler Ruben Casillas-Pacheco über die Umwelt- und Gesundheitsrisiken des Materials und die von seinem Startup entwickelte Alternative gesprochen. Ruben wuchs an der mexikanisch-amerikanischen Grenze auf. Als Teenager erlebte er dort Auswirkungen des Drogenkriegs wie Entführungsversuche, vermisste Freunde und ermordete Verwandte. In Erlangen hat er eine neue Heimat und ein unterstützendes Umfeld gefunden, die es ihm erlauben, sich auf die Wissenschaft zu konzentrieren. Hier findet Ruben die Inspiration, Gutes zu tun und Innovationen zu entwickeln, die unsere wichtigsten gesellschaftlichen Probleme lösen.
Wie hängen Styropor und die Klimakrise miteinander zusammen?
Expandiertes Polystyrol besteht zu 100 % aus fossilen Brennstoffen. Man braucht drei Kilogramm Erdöl um ein Kilogramm Polystyrol herzustellen. Dieses benötigt 10.000 Jahre bis es komplett kompostiert ist. Mittlerweile gibt es mehr Erdöl über als unter der Erde. Wir Menschen produzieren jedes Jahr 15 Millionen Tonnen von einem Material ohne zu wissen, wie wir mit dem Müll umgehen. Das macht keinen Sinn. Mikroteilchen und auch große Mengen von Polystyrol finden sich in unseren Ozeanen. Durch das Zersetzen des Plastiks wird das Wasser sauer, wodurch sich der PH-Wert unserer Meere erhöht. In der Folge gibt es weniger Phytoplankton und dadurch weniger Tiere im Wasser, die sich davon ernähren.
Wie lassen sich Verpackungen aus Pilzen herstellen?
Pilzkulturen, auch Mycelien genannt, ernähren sich von Zellulose und bilden dabei eine feste Masse. Zellulose findet sich in Pflanzenresten, also nicht in der Tomate, sondern in der Tomatenpflanze selber. Alle Bäume, alle Blätter haben Zellulose. Wir fügen den Mycelien also Bioabfälle zu und je nach Feuchtigkeit und Zelluloseart wachsen dann innerhalb einer Woche Pilzfasern. Manche davon sind weich, andere hart. Dieser Prozess lässt sich auf unterschiedliche Märkte anpassen. In China und den Philippinen verwenden wir beispielsweise Reisschalen, die sonst tonnenweise verbrannt werden würden.
„Ich kombiniere immer Mathematik mit verschiedenen anderen Themen. Bei Fungarium berechnen wir, wieviel CO2 wir bei der Herstellung produzieren und wieviel wir aus der Atmosphäre nehmen. Mit diesen Daten passen wir die Produktion in jedem Land an", erklärt Ruben, Gründer von Fungarium.
Welche Vorteile hat Verpackungsmaterial aus Pilzen?
Es ist einfach, die Verpackungen in eine gewünschte Form zu bringen. Man lässt sie einfach darin wachsen. Anschließend trocknen wir sie durch Wärme, um das Schimmeln zu verhindern. Das so entstandene Verpackungsmaterial ist wasserdicht und feuerfest. Sobald deine Lieferung sicher bei dir angekommen ist, kannst du es einfach in den Garten oder den Biomüll geben. Durch Regen zersetzt es sich innerhalb weniger Monate und düngt dabei die Erde. Dieser Prozess unterstützt auch die Bodensanierung, also die Entfernung von Schadstoffen in der Erde. Durch die Verwendung von Pestiziden wurden viele Fungizide in unseren Böden vernichtet. Dabei sind sie sehr wichtig für unsere Erde. Pilze, insbesondere Mycorrhiza, arbeiten mit Pflanzen, Bakterien, Schimmelpilzen und anderen Mikroorganismen und ermöglichen den Nährstofftransfer über alle Arten hinweg. Sie sind das neuronale System des Erdbodens und regulieren die Aufnahme von Stickstoff. Durch Überdüngen haben die Menschen die Erde mit zu viel Stickstoff angereichert und Fungizide entfernt. Deswegen können die Pflanzen keinen Stickstoff mehr für die Photosynthese aufnehmen.
Ruben zeigt Influencerin Esra Karakaya die nachhaltige Alternative zum bekannten „Styropor.“
Was hat dich dazu motiviert Verpackungsmaterial aus Pilzen herzustellen?
Wir haben Fungarium offiziell 2021 als Startup gegründet. Unser Team ist international und ergänzt sich in seinen Fähigkeiten. Valentina kommt aus Venezuela und ist Marketingmanagerin. Jonas ist Biologe an der Uni Erlangen. Luis ist ein Chemiker aus Portugal. Ich bin CEO und verantwortlich für den Bereich Modellierung und Data Management. Bisher gibt es keinen Prozess, um pilzbasiertes Polystyrol in den gleichen Mengen wie herkömmliches zu produzieren. Dieses Problem möchte ich lösen.
Das Start-up „Fungarium” vereint vielseitiges Know-How mit Teamarbeit, wie Ruben erklärt: „Ich nutze all mein Wissen in den Bereichen Physik, Mathematik, Chemie sowie die Expertise meiner Kollegen und meines Teams, um einen originellen und einzigartigen Geschäftsansatz zu schaffen.”
Mein Geschäftspartner Luis hat viel Erfahrung mit Pilzen und Materialien. Durch ihn habe ich das Potenzial von Pilzen für Innovation entdeckt. Sie können wohl zur Herstellung von 1.000 oder 2.000 verschiedenen Materialien genutzt werden. Durch sie können wir einen großen Teil von Produkten ersetzen, die mittels fossiler Brennstoffe gewonnen werden, wie durch Erdöl produzierte Plastik. Die Bio-Revolution in Verbindung mit Künstlicher Intelligenz wird unglaublich. In den nächsten 50 Jahren könnten unsere Textilien alle funktional sein und vielleicht Energie von der Sonne aufnehmen, um Smartphones zu laden oder sie sind ein Teil des Geräts. Ich glaube, Pilze sind dafür ein wichtiges Material.
Welche Tipps hast du für die Unternehmensgründung in Deutschland?
Wir haben Fungarium als StartUp gegründet. Am Anfang wusste ich nicht, wer mich beraten kann. Soll ich einen Verein machen? Oder direkt eine GmbH? Wie viel kostet das für mich als Ausländer? Es gibt viel Bürokratie und verschiedene Ämter, zu denen man gehen muss.
Esra Karakaya erkundet mit Ruben das Fungarium-Labor und taucht in die Welt nachhaltiger Technologie ein. Dabei erfährt sie, wie aus Pilzmaterial Bioverpackungsmaterial hergestellt wird.
Wir haben eine Förderung durch das Programm Resilient Futures von ̽ѡ, Citi Foundation und bekommen. Es richtet sich an geflüchtete und migrantische Unternehmer*innen. Wenn man mich fragen würde, ob ich meine Situation als Flüchtling betrachte, würde ich das teilweise bejahen. Ich bin zwar vor Krieg und Verfolgung geflohen, aber ich bin mit dem Komfort meiner Bildung geflohen. Ich habe das Privileg, von meiner Familie unterstützt zu werden, aber ich bedaure, dass meine Flucht aus meiner Heimat unter solchen Umständen statt fand. Ich hatte das Privileg, Bildung, Unterstützung und eine Gemeinschaft zu finden, die mich inspiriert und mich bereits seit 13 Jahren hier in Erlangen hält, wo ich eine komplette akademische Laufbahn vom Master bis zum Post-Doc durchlief.
Neben einem Gründungszuschuss haben wir Trainings zur Selbstständigkeit in Deutschland erhalten. Das hat mir sehr geholfen, die Prozesse zu verstehen. Es gibt strenge Regeln hier, aber sie sind fair für alle. Unternehmer*innen sollen keine Angst vor bürokratischen Prozessen haben, sondern lernen sie zu optimieren. Vielen macht die richtige Angst. Aber nachdem man einmal ins kalte Wasser gesprungen ist, wird es leichter.
Erfahre mehr über das Resilient Futures-Programm von ̽ѡ und Citi Foundation
Das Programm Resilient Futures bietet Unterstützung und Ressourcen für junge Unternehmer*innen, die an Mentoring und Schulungen teilnehmen und die Bedürfnisse ihrer lokalen Märkte kennenlernen. Unternehmer mit vielversprechenden Geschäftsplänen erhalten einen Zuschuss zur Deckung der Gründungskosten für ihr Unternehmen. Andere Teilnehmende werden mit Mentoren bekannt gemacht und an hilfreiche Ressourcen verwiesen. Das Programm verhilft zu finanzieller Unabhängigkeit und leistet gleichzeitig einen Beitrag für die Community der Teilnehmenden.