Kabul, Afghanistan, 12. August 2024 — Drei Jahre nach dem Machtwechsel in Afghanistan steigt der Bedarf für humanitäre Hilfe weiterhin rapide an. Ernährungsunsicherheit nimmt im ganzen Land zu. Frauen und Mädchen sind weiterhin von der Bildung ausgeschlossen und haben nur begrenzten Zugang zur Arbeit. Viele Familien mit einem weiblichen Haushaltsvorstand haben ihr gesamtes Einkommen verloren. Ganze Familien sind deshalb von Hunger und Unterernährung betroffen.
Vielerorts gibt es kein sauberes Wasser, keinen Strom, keine sicheren Straßen und allgemein zugängliche Bildungsdienste. Zwei Drittel der Bevölkerung sind auf Nahrungsmittelhilfe, medizinische Versorgung und andere lebenswichtige Unterstützung angewiesen – dreimal so viele wie vor August 2021. Millionen sind aus dem Land geflohen und bilden heute eine der größten Geflüchtetenbevölkerungen der Welt. ̽ѡ verpflichtet sich weiterhin, die Bedarfe nach humanitärer Hilfe in der afghanischen Bevölkerung im Land und weltweit zu decken.
Salma Ben Aissa, ̽ѡ-Landesdirektorin für Afghanistan, sagt:
,,Die letzten drei Jahre haben für die afghanische Bevölkerung verheerende Folgen gehabt – auch für diejenigen, die das Land im August 2021 verlassen haben. Politische Unsicherheit, internationale Abschottung, Klimawandel und eine Wirtschaftskrise haben zu einem Anstieg des humanitären Bedarfs geführt. Heute sind fast 24 Millionen Menschen in Afghanistan auf humanitäre Hilfe und Unterstützung angewiesen.
Vor allem Ernährungsunsicherheit hat besorgniserregende Ausmaße angenommen: Jede vierte Person in Afghanistan weiß nicht, woher ihre nächste Mahlzeit kommt. Nach waren im Jahr 2023 fast 70 Prozent der Menschen, die auf der Suche nach Schutz in Nachbarländern ihr Leben verloren, aus Afghanistan. Dies ist ein schockierender Indikator für die Gefahren, denen Afghan*innen auch außerhalb ihres Heimatlandes ausgesetzt sind.
Die Welt richtet ihre Aufmerksamkeit auf neu entstehende Krisen in anderen Teilen der Welt. Doch die internationale Gemeinschaft darf weder die Finanzierung noch die Unterstützung abziehen. Dies wäre eine Ungerechtigkeit für die Menschen in Afghanistan, die eine der längsten humanitären Krisen der Welt durchleben.
Corina Pfitzner, Geschäftsführerin ̽ѡ Deutschland, kommentiert:
,,Drei Jahre nach dem Machtwechsel ist die humanitäre Lage in Afghanistan weiterhin höchst alarmierend. Wie die Bundesregierung wiederholt humanitär und völkerrechtlich zugesagt hat, ist und bleibt es unsere Pflicht, die Menschen in Afghanistan zu unterstützen – nicht nur vor Ort, sondern auch in Deutschland, schnell und unbürokratisch.
In diesem Sinne wäre es falsch, das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan, welches legale und sichere Fluchtwege für gefährdete Afghan*innen nach Deutschland bietet, nicht wie geplant weiterzuführen. Ganz im Gegenteil, die Bundesregierung muss ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag einhalten. Das Aufnahmeprogramm ist einer der einzigen Wege, der gefährdeten Afghan*innen legale und sichere Wege nach Deutschland ermöglicht. Die Menschen dürfen nicht im Stich gelassen werden. Deutschland kann mit dem Bundesaufnahmeprogramm einen Beitrag zur Umsetzung der humanitären Verantwortung leisten und sein Versprechen an die afghanische Zivilbevölkerung nach dem ungeordneten Abzug 2021 einlösen.
Bei aller gerechtfertigten Kritik an der Umsetzung des Bundesaufnahmeprogramms, unter anderem an der niedrigen Zahl der bisherigen Aufnahmen – ein vorzeitiges Programmende wäre das falsche Signal. Ausgestattet mit dem notwendigen politischen Willen und den finanziellen Mitteln, inklusive der Verausgabung aller bis dato bereitgestellten Mittel für 2024 kann und muss das Programm wie angekündigt umgesetzt werden. Trotz der angespannten Haushaltslage darf Afghanistan nicht in Vergessenheit geraten.”
Hinweise an die Redaktion
- In den letzten drei Jahren konnte ̽ѡ über 14,5 Millionen Menschen in Afghanistan mit grundlegenden Gesundheitsdiensten, Bargeld- und Soforthilfen erreichen.
- Das ̽ѡ-Länderprogramm wird nach wie vor von 99 Prozent afghanischen Staatsangehörigen betreut – Männern und Frauen, die sich für die von der wachsenden Krise betroffenen Menschen einsetzen.