Der EU-Gipfel der letzten Woche ist ohne eine gemeinsame Erklärung zur europäischen Asyl- und Migrationspolitik zu Ende gegangen – blockiert von Ungarn und Polen. Das hat zwar keinen direkten Einfluss auf die aktuellen Entwicklungen im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS), ist jedoch von hoher Symbolkraft und zeigt: Trotz der zuletzt im EU-Rat durch Mehrheitsbeschluss erzielte Einigung zur Reform des gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) besteht keine europaweite Einigung zum weiteren Vorgehen und die massive Unterschreitung etablierter Standards mit katastrophalen Folgen für Schutzsuchende ist weder eine europäische Lösung noch ein – wie von Innenministerin Faeser bezeichnet - .       

Die vereinbarten Verordnungen müssen noch im EU-Gesetzgebungsverfahren zwischen der EU-Kommission, EU-Rat und EU-Parlament final verhandelt und beschlossen werden. Aber sie werden die bestehenden Herausforderungen nicht nur nicht lösen, sondern sie im Gegenteil noch verschärfen: Es ist davon auszugehen, dass die Verantwortung für die Aufnahme von Geflüchteten weiterhin maßgeblich bei den Mitgliedstaaten an den EU-Außengrenzen liegen wird, Pushbacks an den Grenzen zunehmen werden und eine große Zahl der ankommenden Menschen an den Außengrenzen im Rahmen ihres Asylverfahrens inhaftiert wird. 

Wie viele andere , , , aber auch , kritisiert ̽ѡ Deutschland, dass die Bundesregierung diese Asylrechtsverschärfungen mitträgt und so mit ihrem Vorhaben bricht, sich gegen das Leid an den Außengrenzen und für bessere Standards in Asylverfahren einzusetzen.  

Auch Bestrebungen der Bundesregierung und EU, in der Regulierung von Migration und Flucht auf Abkommen mit Drittstaaten zu setzen, wie zuletzt bei , wo Geflüchtete nicht nur einer katastrophalen humanitären Lage, sondern auch rassistischen Ressentiments ausgesetzt sind, verurteilt ̽ѡ aufs Schärfste. Wirtschaftliche Abhängigkeiten zu nutzen, um Staaten durch die Konditionalisierung von Entwicklungsgeldern und Visaerleichterungen zu mehr migrationspolitischer Zusammenarbeit zu bewegen, ist nicht die Antwort. 

Umso dringender appelliert ̽ѡ Deutschland nun an die Bundesregierung, bei anstehenden Verhandlungen zur „Verordnung für Ausnahmen im Falle von Krisen, Instrumentalisierung und höherer Gewalt“ (Krisenverordnung) ihrem Vorsatz, jeder schutzsuchenden Person ein faires Asylverfahren zu ermöglichen, treu zu bleiben und den Verordnungsentwurf nicht mitzutragen. Die ohnehin schon restriktiven Bestimmungen der aktuellen Reformvorschläge würden durch diese Verordnung noch einmal drastisch verschärft. Durch diesen Ansatz erhalten die Mitgliedstaaten freie Hand, Grenzverfahren unter haftähnlichen Bedingungen durchzuführen, die monatelang andauern, was gegenteilig zum eigentlichen Vorhaben einer deutlichen Abkehr vom gemeinsamen Asylsystem entspricht. Die Standards für Geflüchtete wären damit auf ein mit der Menschenwürde nicht zu vereinbarendes Niveau abgesenkt.  

Die Bundesregierung hat diesem Absenken der Standards im Dezember letzten Jahres noch eine deutliche Absage erteilt. ̽ѡ appelliert an die Bundesregierung ihre Position beizubehalten.   

Corina Pfitzner, Leitung ̽ѡ Deutschland, kommentiert:  

„Dass Europas Migrations- und Asylpolitik reformiert werden muss, ist vor dem Hintergrund verheerender Schiffsunglücke auf dem Mittelmeer wie nicht zuletzt vor Pylos mit wahrscheinlich mehr als 500 Toten, regelmäßiger Berichte über gewalttätige Pushbacks und katastrophalen Bedingungen in Erstaufnahmelagern an den EU-Außengrenzen mehr als eindeutig.   

Mit aktuell 110 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht sehen wir uns gerade mit der höchsten Zahl an Vertriebenen seit dem Zweiten Weltkrieg konfrontiert. Dass Menschen fliehen und außerhalb ihrer Landesgrenzen Schutz suchen, ist eine Realität, an der auch eine restriktive Asyl- und Migrationspolitik nichts ändern wird. Die Routen werden nur noch gefährlicher und die Preise für Schmuggler*innen noch höher.  

Die von den Mitgliedstaaten im EU-Rat verhandelten Verordnungen laufen Gefahr, bestehende Probleme nur zu verschärfen statt sie wie angekündigt zu lösen. Die noch zu verhandelnde Krisenverordnung würde es Mitgliedstaaten gestatten, Standards im Zugang und die Durchführung von Asylverfahren drastisch zu verschärfen, was nicht nur ein klarer Verstoß gegen Rechte und Werte der EU wäre, sondern das uneinheitliche Vorgehen der Mitgliedstaaten bei Asyl noch weiter verschärfen würde. Die Bundesregierung muss sich dringend gegen die Krisenverordnung aussprechen.  

Dabei ist ein besserer Ansatz, der keiner Aushöhlung der Werte der EU, der Menschenrechte und dem völkerrechtlich vereinbarten Zugang zu Asyl gleichkommt, möglich. ̽ѡ fordert einen echten Kurswechsel in der Asylpolitik, der die betroffenen Menschen in den Mittelpunkt stellt. 

Es bedarf dringend einer Ausweitung legaler Zugangswege über Resettlement, humanitäre Aufnahme und einer Absenkung der Hürden für Visa für Studium, Ausbildung und Arbeit. Dabei darf der Zugang zu Asyl nicht eingeschränkt werden. Ein konkreter Solidaritätsmechanismus, der die Erstankunftsstaaten an den EU-Außengrenzen tatsächlich entlastet, muss eingerichtet werden. Die großen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten in Standards bei Asylverfahren, Unterbringung und Versorgung geflüchteter Menschen müssen mit allen der EU zur Verfügung stehenden Instrumente auf ein einheitliches, humanes Niveau angeglichen werden. Gegen das Sterben im Mittelmeer und der Gewalt an den Grenzen muss durch Investitionen in Such- und Rettungsmaßnahmen und einen unabhängigen Grenzmonitoring-Mechanismus vorgegangen werden.”