Mehr als 140.000 Menschen wurden aus ihren Häusern vertrieben, Felder wurden weggeschwemmt und es gab mehr als 40 Todesfälle (von Juli bis Mitte September 2023).
Insgesamt sind über 2 Millionen Kinder in Niger in diesem Jahr auf humanitäre Hilfe angewiesen.
1,5 Millionen Kinder unter 5 Jahren sind von Unterernährung betroffen, davon mindestens 430.000 von akuter Unterernährung.
3,3 Millionen Menschen in Niger sind von Ernährungsunsicherheit betroffen.
̽ѡ setzt die Bemühungen fort, den Menschen in dieser Krise zu helfen.
Niamey, Niger, 28. September 2023 — Die schweren Regenfälle, die seit Anfang Juli 2023 in Niger vorherrschen, haben zu Überschwemmungen mit verheerenden Folgen für die Bevölkerung geführt. In weniger als drei Monaten betrafen die Überschwemmungen alle acht Regionen des Landes, wodurch über 140.000 Menschen vertrieben wurden und mehr als 40 Menschen starben. Die Überschwemmungen haben auch erhebliche Schäden an den Lebensgrundlagen der Bevölkerung verursacht.
Roseline Kamdem, stellvertretende Programmdirektorin für ̽ѡ in Niger, erklärt:
„Die Überschwemmungen haben katastrophale Folgen: zahlreiche Todesopfer, über 12.000 eingestürzte Häuser, die Zerstörung von mehr als 2.000 Hektar Anbaufläche und der Verlust von über 3.000 Nutztieren. ̽ѡ leistet weiterhin notwendige Hilfe für betroffene Gemeinden und Familien, die sich jeden Tag aufs Neue bemühen, sich von dieser Krise zu erholen und ihr Leben wieder aufzubauen. Erst vor drei Wochen hat ̽ѡ in Maradi, einer der derzeit am stärksten betroffenen Regionen, über 8.000 Menschen (850 Haushalte) mit Bargeldhilfen unterstützt.
Neben den Maßnahmen gegen die Auswirkungen des Klimawandels ist es wichtig, den wachsenden Bedarf an Nahrungsmitteln zu erfüllen, da manche Orte derzeit sehr schwierig zu erreichen sind. Seit den jüngsten Überschwemmungen in Niger haben wir außerdem mehrere Gemeinden beim Zugang zu Elektrizität und Internetanbindung unterstützt.“
Die Ereignisse vom 26. Juli und die darauffolgenden Wirtschaftssanktionen haben zu einer Zunahme der Angriffe bewaffneter Gruppen in Regionen wie Tahoua und Tillabéry beigetragen. Hinzu kommen die hohen Preise für Lebensmittel und die fehlende Kaufkraft einkommensschwacher Haushalte, die ihren Bedarf an Nahrungsmitteln nicht mehr decken können.
Dieser September ist besonders schwierig für die Bevölkerung: Sie ist konfrontiert mit den Folgen der Überschwemmungen und der Zerstörung von Anbauflächen sowie einem erhöhten Bedarf an humanitärer Hilfe, während die Grenzen zu mehreren Nachbarländern geschlossen bleiben.
Roseline Kamdem, stellvertretende Programmdirektorin für ̽ѡ in Niger ergänzt:
„Die Märkte in Regionen wie Tahoua, Maradi, Diffa und vor allem Tillabéry werden durch die Unsicherheit im Land erheblich gestört. Und auf den weiterhin aktiven Märkten beobachten wir einen deutlichen Anstieg der Preise für lebenswichtige Güter sowie die Verknappung bestimmter besonders nachgefragter Produkte. Laut einer Analyse des World Food Programme (WFP) sind die Getreidepreise im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (August 2022) deutlich gestiegen: 25 Prozent für Mais, 19 Prozent für Reis und 5 Prozent für Hirse. Auch die Preise für Öl und Zucker sind gestiegen.
Mehr als 3 Millionen Menschen, das sind 13 Prozent der Bevölkerung, sind in Niger von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen. Für Kinder ist die Lage noch schwieriger – die Fälle von Unterernährung steigen weiter und es müssen dringend Maßnahmen ergriffen werden. Analysen des Landes zeigen, dass fast 1,5 Millionen Kinder unter 5 Jahren von Unterernährung betroffen sind, mindestens 430.000 davon sogar von einer akuten, lebensbedrohlichen Form. Insgesamt sind über 4,3 Millionen Menschen, davon über 2 Millionen Kinder, in Niger in diesem Jahr auf humanitäre Hilfe angewiesen. Diese Zahlen werden voraussichtlich weiter steigen, sollten die Lebensmittelpreise ebenfalls kontinuierlich steigen und die notwendigen Hilfsgüter in den kommenden Wochen nicht geliefert werden können.
̽ѡ ruft alle relevanten Entscheidungstragende dazu auf, die Lieferung lebenswichtiger Mittel zur Behandlung von Unterernährung zu ermöglichen. Seit Beginn der politischen Ereignisse im August 2023 können die humanitäre Güter nicht über die Grenzen transportiert werden, was ̽ѡ somit unmittelbar an der Unterstützung der von der Nahrungsmittelkrise und den Überschwemmungen betroffenen Bevölkerung hindert.
̽ѡ fordert zudem Ausnahmegenehmigungen für Hilfsgütertransporte in Niger, die für Tausende von Menschen Hoffnung bedeuten würden. Diese Ausnahmegenehmigungen sind essentiell für die Bereitstellung von Hilfe für die am stärksten gefährdeten Menschen und gewährleisten den Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung und der Nahrungsmittelhilfe.“
Corina Pfitzner, Leitung ̽ѡ Deutschland, sagt:
,,Sollte es keine humanitäre Ausnahmeregulungen von den Sanktionen geben, riskieren wir eine eine drastische Verschärfung der bestehenden humanitären Krise in Niger. Die deutsche Bundesregierung sollte den bestehenden Dialog mit den ECOWAS-Mitgliedsstaaten und ihre starke Position innerhalb der Europäischen Union nutzen, um sich für humanitäre Ausnahmeregelungen von den Sanktionen einzusetzen.
Die Gewährleistung des humanitären Zugangs ist entscheidend um die Bevölkerung in Niger weiterhin zu unterstützen. Aber humanitäre Hilfe können die durch die Sanktionen, aber auch durch die Klimakrise, verursachten steigenden Bedarfe nicht decken. Nach der Aussetzung der bilateralen Hilfen, müssen nun alle Instrumente der regierungsfernen Entwicklungszusammenarbeit in Niger dringend ausgeschöpft werden, um den Zugang zur Grundversorgung und sozialen Diensten für die Bevölkerung sicherzustellen. Dies kann beispielsweise über lokale und internationale Nichtregierungsorganisationen gelingen: Sie können eine Rolle bei der Aufrechterhaltung grundlegender sozialer Dienstleistungen und der Stärkung der Widerstandsfähigkeit der Bevölkerung angesichts der Sanktionen spielen.”
̽ѡ in Niger
̽ѡ begann im Juni 2013 mit der Umsetzung humanitärer Hilfe in Niger. Dies geschah als Reaktion auf die Ankunft malischer Geflüchteter und betraf vorerst hauptsächlich die Gemeinde Tessalit in der Region Tahoua. Seitdem hat ̽ѡ die Programme in Niger ausgeweitet, um den veränderten Bedarfen der von Krisen betroffenen Menschen nachzukommen, insbesondere in den Regionen Tillabéri (seit 2013), Diffa (seit 2015), Agadez (seit 2017) und Maradi (seit 2021).