Berlin, 19. Juni 2023 — 110 Millionen Menschen haben bisher ihre Heimat auf der Suche nach Sicherheit und Stabilität verlassen. Das ist die höchste Zahl seit dem Zweiten Weltkrieg und macht eine Zunahme um 19 Millionen Menschen seit Ende 2021 aus.
Vier von fünf zwangsweisen Vertriebenen weltweit leben in den 20 Ländern, die in der ̽ѡ Emergency Watchlist auftauchen. Dabei handelt es sich um die 20 Länder, deren humanitäre Krisen sich im nächsten Jahr am stärksten verschlimmern werden. Die Zahl der Vertriebenen – über 62 Millionen Binnenvertriebene, über 35 Millionen Geflüchtete und über 5 Millionen Asylsuchende – hat sich seit 2014 nahezu verdoppelt. Die Menschen sind gezwungen, vor dem Krieg in der Ukraine, dem Konflikt in Sudan sowie den Auswirkungen des Klimawandels und wirtschaftlicher Instabilität in Ostafrika, der Zentral-Sahelzone und Lateinamerika zu fliehen.
Die lokalen, nationalen und internationalen Schutzmaßnahmen zum Schutz von krisenbetroffenen Gemeinschaften weltweit wurden geschwächt, sodass die Menschen nur begrenzte Möglichkeiten haben, außerhalb ihrer Heimat nach Sicherheit und Schutz zu suchen und ihre grundlegenden Bedürfnisse zu befriedigen. Unter den Vertriebenen tragen marginalisierte Gruppen wie Kinder, Frauen und Mitglieder der LGBTQ+-Community oft die Hauptlast dieser Krisen. Sie sind Risiken von geschlechtsspezifischer Gewalt, einschließlich sexuellem Missbrauch und Ausbeutung, eingeschränktem Zugang zur Gesundheitsversorgung und Unterbrechungen in ihrer Bildung ausgesetzt.
David Miliband, Präsident und CEO von ̽ѡ, sagte:
,,Dass 110 Millionen Menschen derzeit vertrieben sind, stellt ein trauriges Zeugnis eines versagenden internationalen Systems mitsamt seiner Schutzmechanismen dar, die eigentlich dazu bestimmt sind, humanitäres Leid zu verhindern. Bewaffnete Konflikte, wirtschaftliche Turbulenzen und ungebremster Klimawandel treiben langanhaltende Krisen zu neuen Extremen und entfachen neue Krisen. Vor diesem beispiellosen Hintergrund und während 90 Prozent der Vertriebenen von Staaten mit niedrigem und mittlerem Einkommen aufgenommen werden, gehen wohlhabende Nationen verstärkt gegen das etablierte Recht auf Asyl vor.
Noch besorgniserregender ist, dass die 30 Millionen Vertriebenen, die innerhalb ihrer Heimatländer aufgrund von Klimakatastrophen ihre Häuser verlassen mussten, in dieser erschreckenden Zahl gar nicht mitgezählt werden. 20 Prozent dieser Vertreibungen haben in den am wenigsten entwickelten Ländern und kleinen Inselstaaten stattgefunden, die, wie ̽ѡ betont hat, am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben, aber am härtesten getroffen werden.
Ein ±ٴڱüٱԲٲ, der aus all den falschen Gründen historisch ist, erfordert Diplomatie; fordert, fragile Staaten in das Klimaabkommen einzubeziehen; und fordert, die Art von Solidarität und Finanzierung, die der Ukraine zugekommen ist, auch bei globalen Vertreibungskrisen. Erst dann können wir hoffen, im nächsten Jahr ganz andere, erschütternde Ausmaße des humanitären Leids zu vermeiden.”
Corina Pfitzner, Leitung ̽ѡ Deutschland, kommentiert:
,,Globale solidarische Unterstützung für Geflüchtete muss drei Schlüsselelemente beinhalten, um eine umfassende, kohärente Politik zu sein. Erstens: Diplomatisches und finanzielles Engagement in Krisenregionen ist notwendig, um die politischen Ursachen von Flucht und Vertreibung zu bewältigen. Dies kann nur gelingen, wenn die Bundesregierung ihr diplomatisches Engagement in der Krisenprävention und Konfliktlösung verstärkt. Zweitens müssen die Resettlement- und humanitären Aufnahmeprogramme durch den Ausbau von Programmen, die besonders schutzbedürftigen Menschen aus Krisenkontexten eine direkte Aufnahme in Deutschland ermöglichen, verstärkt werden. Schließlich muss der Zugang zu Asylverfahren in der EU gesichert werden. Die jüngst von den EU-Innenminister*innen beschlossene Verschärfung des Asylsystems, verbunden mit der flächendeckenden Einführung von Grenzverfahren, wird dazu führen, dass noch mehr Menschen unter haftähnlichen Bedingungen leiden werden. Und wir wissen um die dramatischen Auswirkungen auf die psychische Gesundheit der Menschen, die unter solche Bedingungen leben müssen.
Zugeständnisse für humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit sowie humanitäre Aufnahmeprogramme dürfen nicht dazu instrumentalisiert werden, das Recht auf Asyl auszuhöhlen. Mehr Unterstützung für Geflüchtete in Krisenregionen ist wichtig, aber sie wiegt nicht die Aushöhlung des Zugangs zur Asylbeantragung in Europa auf. Damit droht sich die verheerende Schutzkrise für Geflüchtete weltweit weiter zu verschärfen."