• Eine aktuelle Haushaltsumfrage nach dem Erdbeben zeigt, dass sich die Möglichkeiten, ein Einkommen zu erzielen, verschlechtert haben

  • Fast 90 der Haushalte mussten sich Geld leihen

  • 70 Prozent der befragten Haushalte sind von Ernährungsunsicherheit betroffen

  • Geld, Kleidung und Haushaltsgegenstände werden am meisten gebraucht

Gaziantep, Türkei, 20. Februar 2023 - Zwei Wochen nach dem verheerenden Erdbeben in der Südtürkei wird das enorme Ausmaß des Erdbebens auf die Gemeinden in der gesamten Türkei und Syrien immer deutlicher. Der bestehende Bedarf an humanitärer Hilfe, insbesondere im Nordwesten Syriens, wurde durch das Erdbeben noch verschlimmert und hat nach Angaben von ̽»¨¾«Ñ¡ ein kritisches Ausmaß erreicht.

Eine von ̽»¨¾«Ñ¡ (̽»¨¾«Ñ¡) in den Gouvernements Idleb und Aleppo im Nordwesten Syriens durchgeführte Bedarfsanalyse zeigt, in welch katastrophaler Lage sich viele Syrer*innen derzeit befinden. Die Bewertung bezieht sich auf die dringendsten Bedürfnisse der vom Erdbeben betroffenen Gemeinden und unterstreicht, wie die humanitäre Hilfe am wirksamsten geleistet werden kann.

Alle befragten Haushalte berichteten, dass sich ihre Möglichkeiten, Einkommen zu erzielen, infolge des Erdbebens verschlechtert haben. Der Bedarf wird nun kritisch: 3 von 4 Haushalten vermeldeten einen unzureichenden Zugang zu Nahrungsmitteln . Die Mehrheit der vom ̽»¨¾«Ñ¡ befragten Personen war der Ansicht, dass fehlende finanzielle Mittel sie am stärksten daran hindern, grundlegende Bedürfnisse wie Lebensmittel, Kleidung und Haushaltsgegenstände zu decken.

Die finanzielle Belastung der Haushalte hat sich auch auf ihren Zugang zu lebenswichtigen Dienstleistungen wie der Gesundheitsversorgung ausgewirkt. Mehr als 70 Prozent der Befragten gaben an, dass Geld das Haupthindernis für den Zugang von Familienmitgliedern zur Gesundheitsversorgung ist. Die Entfernung stellte eine weitere Barriere dar: Die Befragten gaben an, dass sie im Durchschnitt etwa zweieinhalb Stunden brauchen, um Gesundheitseinrichtungen zu erreichen. Sehr besorgniserregend war auch, dass fast ein Drittel der Befragten mitteilte, überhaupt keinen Zugang zu Gesundheitseinrichtungen zu haben. Es wird deutlich, dass aktuell mehr Gesundheitsdienste benötigt werden, die flexibel und mobil sind, damit bedürftige Personen so schnell wie möglich erreicht werden können.

Tanya Evans, ̽»¨¾«Ñ¡-Landesdirektorin für Syrien, sagt:

"Die Menschen im Nordwesten Syriens befanden sich bereits vor dem Erdbeben in einer katastrophalen Lage. Diese Nöte der Menschen bleiben damit nicht nur bestehen, sondern unsere Analyse zeigt, dass sie sich durch das verheerende Erdbeben noch deutlich verschlimmert haben. Die finanzielle Situation der Haushalte hat stark unter den Ereignissen gelitten: Fast 90 Prozent der Befragten gaben an, dass sie sich aufgrund des Erdbebens Geld leihen mussten. Angesichts des Bedarfs, den wir vor Ort feststellen konnten, hat die Verteilung von Bargeld Vorrang, um sicherzustellen, dass die Haushalte ihre Grundbedürfnisse befriedigen können. Bislang haben wir mehr als 7.000 Menschen erreicht.

Als Reaktion auf die Ergebnisse unserer Analyse , insbesondere zum eingeschränkten Zugang zur medizinischen Versorgung, haben wir unsere mobilen Kliniken erweitert und behandeln derzeit im Durchschnitt 200 Menschen am Tag. Gemeinsam mit unseren Partnern leisten wir außerdem in 17 Gesundheitseinrichtungen, darunter zwei Krankenhäusern, die rund 2,5 Millionen Menschen versorgen, wichtige medizinische Hilfe."

Hamed*, Leiter des Bereichs Wirtschaft, Wiederaufbau und Entwicklung bei ̽»¨¾«Ñ¡ in Syrien, erklärt:

"Die Menschen befinden sich wieder in einer Situation, wie Jahre zuvor war: Sie brauchen Unterkünfte, finanzielle Unterstützung, psychologische Hilfe und Existenzgrundlagen, um wieder von vorne anzufangen. In dem vom Erdbeben betroffenen Gebiet gab es bereits eine große Zahl von Binnengeflüchteten. Jetzt müssen wir dafür sorgen, dass sowohl diejenigen, die zuvor durch einen bereits existierenden Konflikt vertrieben wurden, als auch die, die durch diese Katastrophe neu vertrieben wurden, dringend Hilfe erhalten. Dass wir Bargeld bereitstellen, ist eine Möglichkeit, die dringenden Bedarfe der Menschen zu decken und ihnen dabei zu helfen, selbstbestimmt wieder auf die Beine zu kommen".

̽»¨¾«Ñ¡ fordert die internationale Gemeinschaft auf, mehr Mittel bereitzustellen, damit die krisenbetroffenen Menschen überleben und ihre Existenz wieder aufbauen können. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass alle Mittel eingesetzt werden, damit die am stärksten betroffenen Gebiete und bedürftigen Menschen Hilfe erhalten, und zwar unabhängig davon, wo sie sich befinden. Insbesondere der Nordwesten Syriens, wo die Gemeinden stärker gefährdet sind, darf nicht zurückgelassen werden. 

̽»¨¾«Ñ¡ ist weiterhin engagiert und verstärkt seine integrierte Hilfe sowohl in der Türkei als auch in Syrien. Wir danken unseren Kolleg*innen und Partnern in der Region, ohne die unsere Arbeit nicht möglich wäre. Unsere unmittelbare Reaktion umfasste die Bereitstellung von Bargeld und die Einrichtung mobiler Kliniken, um die Bedürftigen zu decken. Sowohl direkt als auch in Zusammenarbeit mit unseren Partnern bieten wir in 17 Gesundheitseinrichtungen grundlegende medizinische Grund- und Traumaversorgung an. Wir werden bei der Instandsetzung von Gesundheitszentren helfen, die durch das Erdbeben beschädigt wurden. Dazu arbeiten wir daran, dass die notwendigen medizinischen Hilfsgüter in dieser kritischen Zeit gesichert sind und auch da ankommen, wo sie benötigt werden. 

* Der Name wurde zum Schutz der Identität geändert.

Hinweis für die Redaktion:

  1. Es wurde ein hohes Maß an Ernährungsunsicherheit festgestellt. 70 Prozent der befragten Haushalte einen schlechten Lebensmittelverbrauchswert (LVW) und 26 Prozent einen Grenzwert  aufwiesen.
  2. 45 Prozent der Haushalte befinden sich in der Stressphase, 17 Prozent in der Krisenphase und 3 Prozent in der Notfallphase.
  3. Bei 100 Prozent der Haushalte hat sich herausgestellt, dass sich ihre Möglichkeiten, Einkommen zu erzielen, verschlechtert haben.