Es ist ein sonniger Tag in München. Roqia aus Afghanistan ist auf dem Weg zu Gian. Er ist veganer Food Content Creator und hat sich zum ±ٴڱüٱԲٲ vorgenommen, eine neue Variante ihres Lieblingsgerichts „Qabuli Palao“ zu kochen.
„Gerade denke ich, dass hier einfach alles schön ist“, sagt Roqia. Ihre ersten Monate in Deutschland waren nicht leicht. Sie arbeitete über zehn Jahre an Programmen zur Stärkung von Frauen in Afghanistan. Vielen von ihnen waren Geflüchtete, die aus Pakistan oder Iran nach Afghanistan zurückkehrten. „Neben sicheren Räumen bot mein Team auch finanzielle und psychosoziale Unterstützung an“, sagt Roqia. Zuletzt fokussierte sie sich auf Projekte im Bereich geschlechtsspezifische Gewalt bei ̽ѡ in Kabul.
Nachdem die Taliban die Macht übernahmen, fand ich hier im Dezember 2021 Sicherheit. Ich kam mit dem Gefühl großer Enttäuschung an. Alles was ich mir aufgebaut hatte, war verloren.“
„Zum Glück haben wir bei ̽ѡ einen großen Zusammenhalt. Nicole, meine Vorgesetzte in Kabul, war Tag und Nacht mit mir in Kontakt. Danach haben mich Karolina und Maria, als ehrenamtliche Patinnen im Rahmen des ̽ѡ Buddy Projekts für ehemalige afghanische Ortskräfte begleitetet. Heute steht mir Salma von ̽ѡ als feste Ansprechpartnerin zur Seite. Sie beantwortete mir alle Fragen zu Integration und Arbeitsmarkt und meldete sich regelmäßig bei mir“, sagt Roqia. Nachdem sie ihren Sprachkurs abgeschlossen hatte, war sie bereit sich an neue berufliche Herausforderungen zu wagen. „Mir gefällt Web-Development und Programmieren sehr gut. Das war schon damals in Afghanistan so. Ich wollte immer wissen, wie die digitalen Plattformen funktionieren, welche die Programmevaluierung unterstützen.“ Roqia begann einen Orientierungskurs beim Digital Career Institute und hat sich dadurch für ein einjähriges Training qualifiziert. „Ich liebe es zu sehen, wie aus meinem Code etwas entsteht. Wenn ich in Zukunft damit weiter zur Stärkung von Frauen beitragen kann, wäre das toll.“
Über die Zukunft ihres Heimatlandes macht sich Roqia große Sorgen. „Ich lese gerade über steigende Suizidraten und das trifft mich sehr. Nicht nur Frauen werden ihre Freiheiten genommen. Auch Männer haben keine Kontrolle über ihr eigenes Leben.“
Die Menschen überall auf der Welt sollen wissen, dass wir die Taliban-Regierung nicht gewählt haben. Ich habe Angst, dass die Staatengemeinschaft uns Afghan*innen vergessen wird.“
Roqia und Gian setzen sich mit ihrer Qabuli Cook-Off Challenge dafür ein, dass die Krise in Afghanistan nicht in Vergessenheit gerät. Im August jährt sich der Machtwechsel in Afghanistan zum zweiten Mal. Ein unlängst veröffentlichter ̽ѡ-Bericht zeigt die ,,erschreckende Vernachlässigung” afghanischer Geflüchteter durch die EU und erklärt, welche Schutzmaßnahmen jetzt ergriffen werden müssen, um das Überleben gefährdeter Personen zu schützen. Die EU-Staaten haben 2022 nur 271 afghanische Geflüchtete über Resettlement-Programme neu aufgenommen. Das sind lediglich 0,1 Prozent der über 270.000 Afghan*innen, die laut der UN derzeit auf Resettlement-Bemühungen angewiesen sind.
„Das Willkommen heißen von Menschen, die Schutz suchen, ist keine Debatte in meinem Umfeld. Das gehört sich einfach so“, sagt Gian. „Wenn Menschen zu uns kommen und Unterstützung brauchen, egal ob es jetzt aus der Ukraine oder anderen Ländern ist, dann versuchen wir zu helfen.“ Umgekehrt gehört das Offensein für Neues auch für Roqia dazu. Gians vegane Version ihres „Qabuli Palao“ will sie bald in ihrem neuen Zuhause Uelzen nachkochen.
Mit dem im Oktober 2022 gestarteten Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan sollen in einem Zeitraum von drei Jahren monatlich 1.000 Afghan*innen aufgenommen werden – bisher ist unter dieser Initiative noch keine einzige Person nach Deutschland eingereist. Es ist aufgrund ausgesetzter Ausreise- und Visumverfahren pausiert. Diese Aussetzung kostet Menschenleben. ̽ѡ fordert daher die Visabearbeitung für Menschen mit Aufnahmezusage sowie die Unterstützung von Betroffenen in Transitstaaten bis zur Evakuierung.