Mehr als fünf Millionen Menschen mussten bereits vor dem Krieg in der Ukraine ins Ausland fliehen.
In den letzten Tagen ist die Zahl der Menschen, die aus der Ukraine fliehen, weiter exponentiell gestiegen. Diese Menschen sind einem hohen Sicherheitsrisiko ausgesetzt und benötigen dringend internationalen Schutz und humanitäre Unterstützung.
Viele müssen lange Wartezeiten an den Grenzübergängen und Schwierigkeiten beim Transport in Kauf nehmen. Das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) berichtet von kilometerlangen Warteschlangen vor den Grenzen zu Polen und Rumänien. Dort warten die Menschen bis zu 60 Stunden bei eisigen Temperaturen oder sind gezwungen, einen Teil des Weges zu Fuß zurückzulegen. Infolge kommen Menschen oft gesundheitlich angeschlagen und mit nur wenigen Habseligkeiten an. Die überwiegende Mehrheit der Menschen, die das Land verlassen, sind . Sie tragen, genauso wie ältere Menschen, die Hauptlast der Krise und haben einen höheren Bedarf für Schutz. Unter den Geflüchteten sind mehr als 1,5 Millionen Kinder.
Mit der zunehmenden Eskalation des Konflikts kommt es auch immer häufiger zu rechtswidrigen Angriffen auf die Zivilbevölkerung und Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht, einschließlich Anschläge auf kritische Infrastruktur und Zugangsverweigerungen für humanitäre Hilfsorganisationen. Die Zahl der Menschen, die gezwungen sind, aus ihrer Heimat zu fliehen, wird entsprechend weiter steigen.
Europäische Staaten müssen Sicherheit und Schutz bieten
In den ersten Wochen nach der Eskalation des Krieges haben die europäischen Bürger*innen und Regierungen bei der Aufnahme der Geflüchteten aus der Ukraine bemerkenswerte Solidarität gezeigt. Osteuropäische Staaten, die direkt an die Ukraine angrenzen, haben sich verpflichtet, ihre Grenzen für alle Menschen auf der Flucht offenzuhalten. Viele Regierungen haben in die Einrichtung neuer Aufnahmezentren investiert, Unterstützungsangebote für Geflüchtete erweitert und die Vergabe eines befristeten Aufenthaltsstatus beschleunigt.
Freiwillige und zivilgesellschaftliche Akteure versorgen Geflüchtete bei ihrer Ankunft mit Essen, heißen Getränken, Decken und nehmen sie bei sich Zuhause auf.
Doch über die willkommene Soforthilfe hinaus müssen die EU und die deutsche Bundesregierung konkrete Schritte in die Wege leiten, die die zukünftigen Unterstützungsbedarfe antizipieren. Freiwillige, NGOs und Zivilgesellschaft haben bereits auf die dringende Notwendigkeit einer stärkeren Koordinierung und einer systematischen Unterstützung durch die Behörden hingewiesen.
Was muss jetzt passieren?
Die umfassende und wirksame Anwendung des vorübergehenden Schutzes für alle Menschen, die aus der Ukraine fliehen, ohne Diskriminierung sicherstellen
̽»¨¾«Ñ¡ begrüßt ausdrücklich die Entscheidung der Staats- und Regierungschef*innen der EU, die Richtlinie über den temporären Schutz anzuwenden und damit die EU-weite Anerkennung des Schutzbedarfs von Menschen, die aus der Ukraine fliehen, zu ermöglichen. Alle europäischen Staaten müssen weiterhin ihren Verpflichtungen nachkommen, Geflüchteten Schutz zu gewähren. Flexibilität bei den Einreisebestimmungen und innovative Lösungen werden notwendig sein, um auf die sich rasch entwickelnde Situation zu reagieren.
Die Gewährung eines eindeutigen und beständigen Rechtsstatus mit sofortigem Zugang zu u. a. Arbeit, Unterkunft, Gesundheitsversorgung und Sozialhilfe, ist für die Integration und das Wohlergehen der Menschen von entscheidender Bedeutung. Es wurde versäumt, diese Richtlinie, wie im Falle Syriens im Jahr 2015 oder Afghanistans im Jahr 2021, anzuwenden. ̽»¨¾«Ñ¡ fordert die Staaten nachdrücklich auf, dieses Instruments in Zukunft verstärkt anzuwenden.
Die EU muss
- Allen Menschen, die gezwungen sind, aus der Ukraine zu fliehen – nicht nur ukrainischen Staatsangehörigen und Personen mit ständigem Wohnsitz in der Ukraine – die Einreise ermöglichen. Dazu gehören die Lockerung der Grenzkontrollen, die Ermöglichung des Grenzübertritts außerhalb der offiziellen Grenzübergänge, mehr Flexibilität bei den Einreisebestimmungen und die Genehmigung der Einreise aus humanitären Gründen.
- Die sichere Durchreise und den uneingeschränkten Zugang zu Schutz für Menschen, die aus der Ukraine fliehen müssen, unabhängig von der Staatsangehörigkeit, Nationalität, Religion oder ethnischer Zugehörigkeit gewährleisten.
- Eine einheitliche Reaktion auf die Ankunft von Geflüchteten sicherstellen. EU-Staaten müssen dafür sorgen, dass Familien an den Grenzübergängen zusammen bleiben können und dass die Unterstützung bei der Einreise gezielt auf Frauen und Mädchen, ältere Menschen und Menschen mit Behinderung ausgerichtet ist.
- Über EU-weite Mindeststandards einen besseren Schutzstatus und bessere Lebensbedingungen gewähren, einschließlich längerfristiger Bleibeperspektiven und umfassendem Zugang zu Bildung oder Familienzusammenführung.
- Die Arbeit von EU-Einrichtungen und national unabhängigen Grenzüberwachungsmechanismen erleichtern und den uneingeschränkten Zugang zu den Grenzgebieten für nationale Menschenrechtsorganisationen, NGOs, humanitäre Organisationen und Journalist*innen gewährleisten, um eine sichere Einreise ohne Diskriminierung sicherzustellen.
Sicherer Status der ukrainischen Staatsangehörigen, die sich bereits in Europa aufhalten
Europäische Staaten müssen schnell rechtliche Klarheit schaffen für Menschen aus der Ukraine, die sich bereits innerhalb der EU aufhalten und vor dem 24. Februar eingereist sind. Angesichts des Konflikts und der sich rasch entwickelnden Lage im Land befinden sich viele in einer ungewissen Situation.
Die EU muss
- Sicherstellen, dass ukrainische Staatsangehörige in der EU Zugang zum temporären Schutzstatus erhalten, als internationale Schutzberechtigte anerkannt werden oder einen gleichwertigen Schutz erhalten. Dies gilt unter anderem für Menschen, die bislang anderweitige befristete Aufenthaltstitel hatten und Personen, deren Asylanträge abgelehnt wurden.
- EU-Staaten müssen die gleichen Aufnahmebedingungen für alle Asylbewerber*innen aufrechterhalten.
- Alle Abschiebungen in die Ukraine angesichts der instabilen und unsicheren Lage auf absehbare Zeit aussetzen.
Weitere Investitionen in Erstaufnahmekapazitäten und angemessene Unterstützung bei der Ankunft
Alle europäischen Staaten müssen ihre Kapazitäten für die Aufnahme von Schutzsuchenden zügig ausbauen, um sich auf die Ankunft zusätzlicher Menschen und einen möglicherweise lang andauernden Konflikt vorzubereiten.
Die EU muss
- Ausreichend finanzielle Mittel für menschenwürdige Aufnahmebedingungen bereitstellen. Dazu gehört ein sofortiger Zugang zu Nahrung, Wasser, Unterkünften und Kleidung, sowie zu medizinischer, psychosozialer und Traumabetreuung. Die Staaten müssen ebenfalls individuellen Rechtsbeistand sowie Informationen in den entsprechenden Sprachen und zugänglichen Formaten bereitstellen.
- Kinderschutzvorgaben umsetzen, insbesondere um unbegleitete Kinder zu unterstützen und geeignete Unterkünfte und Hilfsangebote bereitzustellen.
- Geschlechtsspezifische Gewalt verhindern und Überlebende mit Hilfsdiensten, Überweisungsverfahren und Beschwerdemechanismen unterstützen. Ein Fokus muss dabei die Prävention in überfüllten Aufnahmezentren sein, auch indem Gewaltrisiken für Frauen in anderen Bereichen wie Ernährung und Unterbringung berücksichtigt werden, z.B. durch grundlegende Sicherheitsvorkehrungen wie Schlösser an den Türen von Gemeinschaftstoiletten und Duschen.
- Durch transparente Kommunikation ermöglichen, dass die Zivilgesellschaft, lokale Behörden, internationale Organisationen und andere Mitgliedstaaten hinreichende und maßgeschneiderte Unterstützung bei der Erstaufnahme leisten können.
Bereitstellung der erforderlichen humanitären Hilfe für die Ukraine sowie die Sicherung des Zugangs humanitärer Hilfe
Der anhaltende Konflikt führt bereits jetzt zu einer kritischen, sich rasch verschlechternden humanitären Lage mit steigendem Bedarf in der Ukraine. Zahlreiche Menschen mussten aus ihren Häusern fliehen und brauchen nun als Binnenvertriebene Unterstützung beim Wiederaufbau ihres Lebens. Wir begrüßen die von der EU zugesagte Hilfe in Höhe von 500 Millionen EUR sehr.
Die EU muss
- Eine sofortige Beendigung des Krieges fordern und den Zugang zu humanitärer Hilfe sicherstellen. EU-Mitgliedstaaten sollten diplomatische Beziehungen nutzen, um alle militärischen Akteure zur Bereitstellung von humanitärer Hilfe zu verpflichten.
- Sicherstellen, dass auch lokale ukrainische NGOs, die seit 2014 eine Schlüsselrolle gespielt haben, bei der Umsetzung der neu zugesagten Gelder mitwirken können. Partner-NGOs im ganzen Land sollten dabei unterstützt werden, ihre Aktivitäten unabhängig und in Partnerschaft mit internationalen NGOs auszuweiten.
- Mit der ukrainischen Regierung zusammenarbeiten, um den Schutz und die menschenwürdige Behandlung von Geflüchteten, Asylbewerber*innen und anderen Drittstaatsangehörigen innerhalb des Landes zu unterstützen.
Über die Nothilfe hinaus: Vorbereitung auf die langfristigen Bedürfnisse der ankommenden Geflüchteten und Gewährleistung dauerhafter politischer Verpflichtungen
Über die unmittelbare Reaktion der letzten Wochen hinaus braucht es dauerhafte Antworten, die den langfristigen Bedürfnissen der in der EU ankommenden Geflüchteten gerecht werden.
Die verstärkten Kapazitäten, Ressourcen und politischen Verpflichtungen, die aktuell bereitgestellt werden, müssen so lange aufrechterhalten werden, wie der Schutzbedarf der aus der Ukraine fliehenden Menschen besteht.
Die EU muss
- Nationale Systeme so aufstellen, dass die aus der Ukraine geflüchtete Menschen beim Wiederaufbau ihres Lebens schnell und unbürokratisch unterstützt werden. Dazu gehört die Suche nach bezahlbarem Wohnraum, der Zugang zu Dienstleistungen, Verbesserung von Sprachkenntnissen, Arbeitssuche oder Beschulung von Kindern.
- Sicherzustellen, dass diskriminierende, praktische und rechtliche Hindernisse für den Schutz und die Teilhabe von Frauen und Mädchen beseitigt werden. Erfahrungen aus vergangenen Krisen zeigen, dass geflüchtete Frauen und Mädchen häufig ein erhöhtes Risiko der Ausbeutung, Diskriminierung oder sozialen Isolation erfahren, sowie unbezahlte Betreuungs- und Kinderbetreuungsaufgaben leisten müssen.
Mobilisierung einer gesamteuropäischen Reaktion durch konkrete, dauerhafte und umfassende Unterstützung in Solidarität mit den Geflüchteten und den Staaten, die sie aufnehmen
Die Verantwortung für die Aufnahme und den Schutz von Menschen, die in Europa ankommen, sollte auf alle europäischen Länder verteilt werden. ̽»¨¾«Ñ¡ begrüßt ausdrücklich die Solidaritätsbekundungen der EU-Institutionen und Mitgliedstaaten. Sie müssen die Erstaufnahmestaaten in Europa weiterhin dabei unterstützen, ihre Kapazitäten zur Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine auszubauen.
Die EU muss
- Geflüchteten Bargeld zur Verfügung stellen, damit sie Lebensmittel und andere Grundbedürfnisse kaufen können.
- Systeme zur Weiterverteilung von Geflüchteten innerhalb der EU einrichten – einschließlich Drittstaatsangehöriger, die möglicherweise nicht visumfrei in die EU-Staaten einreisen können.
Trotz verstärkter Hilfsmaßnahmen für Geflüchtete aus der Ukraine sollten andere schwerwiegende Schutzbedürfnisse in Europa nicht vergessen werden
Die europäische Solidarität, die angesichts der aktuellen Notlage in der Ukraine gelebt wird, muss als dauerhafte Erinnerung an unsere Werte dienen. Nie war so deutlich, wofür Europa steht und was Europa erreichen kann, wenn es gemeinsam solidarisch handelt. Wir fordern die Staaten auf, dasselbe Maß an Bereitschaft, Engagement und humanitärer Führung auch Menschen in anderer Kontexten zu zeigen, denen in der Vergangenheit bedauerlicherweise – oft durch gewaltsame Zurückdrängung und Inhaftierung – internationaler Schutz verweigert wurde.
̽»¨¾«Ñ¡ fordert EU-Staaten erneut dazu auf, den Flüchtlingsschutz in den Mittelpunkt ihrer Asyl- und Migrationspolitik zu stellen:
- Schutzsuchenden den Zugang zur EU gewähren und den Zugang zu fairen und umfassenden Asylverfahren, unabhängig von den Umständen der Ankunft und ohne Einschränkungen, zu gewährleisten.
- Sicherstellen, dass die europäischen Aufnahmesysteme die Würde der Menschen achten, ihre psychische Gesundheit schützen und ihre Eingliederung in die jeweilige Gemeinschaft fördern – im Einklang mit den Zielen des EU-Aktionsplans für Integration und Eingliederung. Wir fordern die Staaten auf, keine Aufnahmemodelle mit geschlossenen Zentren und kontrolliertem Zugang umzusetzen und dringend in gemeindebasierte Unterkünfte zu investieren.
- Sichere und reguläre Wege zum Schutz müssen deutlich ausgeweitet werden, unter anderem durch Erhöhung und Erfüllung der europäischen Quoten für Resettlement und humanitärer Aufnahme, die weiterhin weit hinter dem weltweiten Bedarf und den Kapazitäten der EU zurückbleiben.
- Den Schutz von Geflüchteten und die humanitären Grundsätze in den Mittelpunkt der EU-Außenpolitik stellen und so dem wachsenden Bedarf an humanitärer Hilfe gerecht werden. Dazu gehören insbesondere dringende Maßnahmen gegen das Sterben und Pushbacks auf dem Mittelmeer.
Die deutsche Bundesregierung muss:
- Die Bundesregierung soll finanzielle, diplomatische und logistische Unterstützung für humanitäre Hilfe innerhalb der Ukraine und für Binnenvertriebene sicherstellen.
- Deutschland soll sich weiter für einen EU-Verteilungsschlüssel für Flüchtlinge einsetzen und an die Solidarität aller Mitgliedsstaaten appellieren. Die Aufnahme von Geflüchteten darf nicht allein auf den Schultern der Nachbarstaaten liegen.
- Die Bundesregierung soll die Dominoeffekte des Krieges beobachten und andere Krisen weltweit unterstützen, um unter anderem weitere Ernährungsunsicherheit zu verhindern.
Wie hilft ̽»¨¾«Ñ¡?
, um Menschen zu unterstützen, die gezwungen sind, aus ihrer Heimat zu fliehen.
In der Ukraine arbeiten wir mit lokalen Partner*innen zusammen, um Soforthilfe für Binnenvertriebene zu leisten. Bislang haben wir die Evakuierung von Frauen und Kindern unterstützt, wichtige Informationen über die Registrierung von Vertriebenen, Unterkünfte, Beschäftigungsmöglichkeiten und die Rechte von Geflüchteten bereitgestellt sowie psychosoziale Betreuung über eine spezielle Hotline angeboten. Darüber hinaus konnten wir auch materielle Unterstützung leisten und Zugang zu lebensnotwendigen Gütern wie Lebensmitteln, Decken, warmer Kleidung, Elektrogeräten und Öfen gewähren, insbesondere dort, wo der Zugang zu Gas und Strom zerstört wurde.
Wie auch in der Ukraine arbeiten wir in Polen mit Partner*innen zusammen, um Schutzsuchenden spezielle Dienste anzubieten, darunter psychosoziale Unterstützung, kulturelle Hilfe und Übersetzungsdienste. Ein spezieller Hotlinedienst bietet auch Rechtshilfe und Unterstützung für Frauen. Zu den materiellen Hilfen gehören hier vor allem medizinische Geräte für die Teams in Aufnahmezentren und an Grenzübergangsstellen an der polnisch-ukrainischen Grenze.
„Wir werden uns bemühen, dort zu reagieren, wo wir am meisten gebraucht werden – und zwar mit den Diensten, die am dringendsten benötigt werden“, sagt Lani Fortier, Abteilungsdirektorin für Notlagen bei ̽»¨¾«Ñ¡.
Was kann ich Menschen in der Ukraine helfen?
Erfahren Sie, wie Sie unsere Arbeit in der , in Deutschland und weltweit unterstützen können. Für Ukrainer*innen, deren Verwandte und Freunde, die Kontakte und Ressourcen für die Einreise nach Deutschland suchen, gibt es eine Informationsseite bezüglich .
Aktuelle Informationen zur Lage vor Ort und Menschen auf der Flucht erhalten Sie auf und .