Amman, Jordanien, 16. April 2024 — Hunger, Unterernährung und Infektionskrankheiten bedrohen das Leben von Millionen Palästinenser*innen. ̽»¨¾«Ñ¡ (̽»¨¾«Ñ¡) warnt vor der drohenden Gesundheitskatastrophe in Gaza. Laut Hochrechnungen der würden selbst bei einem sofortigen Waffenstillstand bis zu 12.000 Menschen in Gaza an den Folgen von Krankheiten sterben. Allein an den sekundären Gesundheitsfolgen könnten bei einer weiteren Eskalation des Konflikts fast 90.000 Menschen sterben.
Fast die gesamte Bevölkerung in Gaza hat seit sechs Monaten keinen Zugang zu lebenswichtigen Nahrungsmitteln, sauberem Wasser und medizinischer Versorgung. Eine Hungersnot steht unmittelbar bevor. Die Zivilbevölkerung wurde ihres Rechts auf Gesundheit beraubt. Tödliche Angriffe auf über 200 humanitäre Helfer*innen verschärfen die Situation weiter. ̽»¨¾«Ñ¡ und Partnerorganisationen beobachten viele Patient*innen, darunter auch viele Kinder, die an leicht vermeidbaren oder behandelbaren Krankheiten sterben.
Dr. Seema Jilani, Kinderärztin und Leitende Technische Beraterin für Notfallmedizin bei ̽»¨¾«Ñ¡, kommentiert:
,,Kein Krankenhaus in Gaza ist mehr voll funktionsfähig. Die Mitarbeitenden von ̽»¨¾«Ñ¡ und Partnerorganisationen sehen mit eigenen Augen die Verwüstung der verbliebenen Gesundheitseinrichtungen. Die palästinensische Bevölkerung ist mit beispiellosen Angriffen, dem völligen Mangel an medizinischer Versorgung und der Ãœberlastung des Gesundheitssystems konfrontiert. Die Menschen müssen abwägen, ob sie ihren Tod riskieren oder aber sich der Gewalt auf dem Weg ins Krankenhaus aussetzen. Kinder, die erst vier Monate alt sind, sterben an vermeidbaren oder leicht zu behandelnden Krankheiten wie Lungenentzündung und Magen-Darm-Infekten.
Viele Patient*innen sind entweder auf dem Weg ins Krankenhaus bereits verstorben oder eine Wiederbelebung ist aufgrund der späten Behandlung nicht mehr möglich. Wenn die Menschen die Gesundheitseinrichtungen erreichen, sind die Labore nicht funktionsfähig, und Schwerverletzte haben bei der Triage Vorrang. So kann es vorkommen, dass Patient*innen mit Infektionskrankheiten wochenlang nicht behandelt werden, weil Notfälle so häufig eingeliefert werden. Durch diese Verzögerung der Behandlung kommt es zu Komplikationen. Die Bevölkerung ist nun anfälliger für Infektionskrankheiten wie Grippe, COVID-19, Lungenentzündung, Ruhr, Cholera, Polio, Masern und Meningitis.
Das Gesundheitssystem wurde von Israel zerstört. Krankheiten, die früher leicht zu kontrollieren waren, breiten sich nun aus. Kinder – insbesondere unterernährte Kinder – sind am anfälligsten. Seit über einem Jahrzehnt gab es keine großen Epidemien mehr in Gaza. Hochrechnungen deuten darauf hin, dass die Ausbreitung von Cholera, Masern, Polio und Meningokokken-Meningitis jetzt eine tödliche Bedrohung darstellt. Es gab 8000 gemeldete Fälle von Hepatitis A, einer durch Impfung vermeidbaren und in der Regel begrenzten Krankheit. Ohne rechtzeitige medizinische Versorgung kann sie jedoch zu Leberversagen, Komplikationen und sogar zum Tod führen. Auch bei Typhus und Cholera besteht ein hohes Ausbruchsrisiko.
Immunität gegen solche Krankheiten war früher dank der hohen Durchimpfungsrate gewährleistet, nimmt nun aber ab. Dies trifft insbesondere auf Kinder und Babys zu, die mehrere Dosen wichtiger Impfstoffe wie Hepatitis B, Polio und Rotavirus verpasst haben.
Atemwegsinfektionen und andere endemische Infektionskrankheiten sind derzeit weit verbreitet. Dieses Phänomen erklärt sich auch dadurch, dass die Menschen Krankheitserregern anders ausgesetzt sind – in überbelegten Unterkünften, durch fehlenden Zugang zu angemessenen sanitären Einrichtungen sowie dem Ausbleiben der medizinischen Behandlung. Wir sehen Kinder, die an Durchfallerkrankungen sterben. Diese Erkrankungen treten 25-mal häufiger auf als vor dem 7. Oktober und können ansonsten leicht mit Flüssigkeit und Antibiotika behandelt werden. Die Hälfte der von Oktober bis Januar gemeldeten über 330.000 Atemwegsinfektionen betrafen Kinder unter fünf Jahren. Aufgrund der fehlenden Behandlungsmöglichkeiten müssen viele dieser Kinder mit dauerhaft schwerwiegenden oder gar tödlichen Folgen rechnen.
Unsere Erkenntnisse belegen den hohen Preis, den die Menschen aufgrund der verzögerten Behandlungen, des eingeschränkten Zugangs der humanitären Hilfe und des andauernden Kriegs zahlen. Trotz der jüngsten Zusagen Israels, die humanitäre Hilfe zu verstärken, bleibt die Lage für die Menschen in Gaza katastrophal. ̽»¨¾«Ñ¡ fordert weiterhin einen sofortigen und anhaltenden Waffenstillstand, die Öffnung aller Grenzübergänge und den ungehinderten Zugang zu Hilfsgütern, um den totalen Zusammenbruch des Gesundheitswesens in Gaza abzuwenden.
Eine weitere Eskalation des Konflikts muss verhindert werden. Die Diplomatie darf den anhaltenden Konflikt und das Trauma in Gaza nicht aus dem Blick verlieren: Millionen von Palästinenser*innen und die israelischen Geiseln, die dort festgehalten werden, leben in einem nie enden wollenden Albtraum."
̽»¨¾«Ñ¡ leistet in den wenigen noch funktionierenden Krankenhäusern in Gaza lebensrettende medizinische Soforthilfe, einschließlich direkter medizinischer Versorgung und der Verteilung von medizinischen Hilfsgütern und Arzneimitteln. Zusammen mit Partnerorganisationen stellt ̽»¨¾«Ñ¡ psychosoziale Unterstützung, Bargeldhilfe und Förderangebote zur frühkindlichen Entwicklung in Notunterkünften bereit. Außerdem weitet ̽»¨¾«Ñ¡ die Programmarbeit in den Bereichen Wasser, sanitäre Einrichtungen und Hygiene (WASH), Ernährung sowie Schutz von Frauen und Kindern weiter aus. Mehr Informationen zur Gaza-Krise.