Seit Beginn des Krieges im April 2023 hat sich Sudan zur weltweit größten Vertreibungskrise entwickelt. Mehr als 12 Millionen Menschen mussten ihr Zuhause verlassen – sowohl innerhalb des Landes als auch über die Grenzen hinaus. Gleichzeitig sind 25 Millionen Sudanes*innen von einer dramatischen Hungerkrise betroffen.

Obwohl es kaum Berichterstattung gibt und die humanitäre Hilfe nur zu 65 Prozent finanziert ist, bleiben Eatizaz Yousif und ihr Team im Einsatz. Auch sie persönlich sind stark betroffen: 99 Prozent der sudanesischen ̽ѡ-Mitarbeitenden verloren durch die Krise ihr Zuhause. Trotzdem geben sie nicht auf. Nur wenige Tage nach ihrer eigenen Vertreibung organisierten sie sich neu und errichteten eine voll funktionsfähige Gesundheitseinrichtung – ein wichtiger Zufluchtsort für sudanesische Familien. Seitdem weiten sie ihre Arbeit aus und helfen immer mehr Menschen, die dringend Unterstützung brauchen. 

Erfahre hier, wie eine starke Frau inmitten der größten Krise Hoffnung schenkt.

Eatizaz steht lächelnd vor einem ̽ѡ-Hintergrund und blickt in die Kamera.
Eatizaz sprach bei einer globalen ̽ѡ-Veranstaltung über ihre Erfahrungen als Landesdirektorin und die dringend benötigte humanitäre Hilfe für Sudan.
Foto: Yekaterina Gyadu/̽ѡ

Notfallhilfe unter Extrembedingungen

Als in Eatizaz Yousifs Heimatstadt Khartum der bewaffnete Konflikt ausbrach, mussten sie und ihr gesamtes Team fliehen. Doch trotz der Vertreibung blieb sie ihrer Aufgabe als ̽ѡ-Landesdirektorin treu und den Menschen in Sudan verpflichtet.

Auch nachdem das Team stark geschrumpft war, begannen die verbliebenen Helfer*innen in Al Jazeera sofort mit der Organisation einer Notfallhilfe.

„Es gab kein Internet, kein Bankensystem“, erinnert sich Yousif. „Aber wir haben trotzdem alle Hürden gemeistert.“ Mit ihren eigenen Autos fuhren sie durch die Region, organisierten Freiwillige und errichteten innerhalb weniger Wochen nach Ausbruch des Konflikts ein funktionierendes Erste Hilfe-System.

„Für mich war das einer der erfüllendsten Momente überhaupt,“ sagt Yousif mit einem Lächeln. „Dass wir trotz all der Probleme als Ersthelfende so schnell im Einsatz waren, macht mich bis heute besonders stolz.“

Dr. Mogahed blickt in die Kamera, er trägt seinen medizinischen Kittel.
Trotz Vertreibung engagiert sich Dr. Mogahed weiterhin für die medizinische Versorgung der Menschen.
Foto: Noory Taha für ̽ѡ

Flexibel im Einsatz

Yousifs Team passt sich laufend den gefährlichen und sich schnell verändernden Bedingungen an. Je nach Lage eröffnen und schließen sie verschiedene Büros und schicken mobile medizinische Teams los, um noch mehr Familien zu versorgen. „Für unsere Einsatzkräfte ist es unglaublich schwer, selbst vertrieben zu sein und gleichzeitig so stark unter den Folgen des Konflikts zu leiden“, erklärt Yousif.

„Trotz aller Herausforderungen und Zugangsbeschränkungen versuchen wir, so viele Menschen wie möglich zu unterstützen. Unser medizinisches Team ist ständig unterwegs, verteilt Hygiene-Kits und schafft sichere Orte für Frauen und Kinder. Wenn man dann all die lachenden Gesichter sieht, weiß man, dass es sich lohnt.“

Zakia, eine Hebamme in der ̽ѡ-Klinik in einem Flüchtlingslager in Gedaref, registriert eine Kundin für die Schwangerenbetreuung.
Hebamme Zakia kümmert sich in der ̽ѡ-Klinik in Gedaref um die Vorsorgeuntersuchung einer Patientin.
Foto: Noory Taha für ̽ѡ

Als Landesdirektorin übernimmt Yousif nicht nur Verantwortung vor Ort – sie engagiert sich auch öffentlich für die Rechte ihres Teams und die Menschen in Sudan. „Ich setze mich dafür ein, dass die Menschen in Sudan die respektvolle Hilfe erhalten, die ihnen zusteht“, sagt sie. „Was mich täglich motiviert, ist die Arbeit mit den Menschen, für die wir da sind, ob im Büro oder draußen bei den Einsätzen“

Yousif wandelt ihre Frustration über die fehlende mediale und diplomatische Aufmerksamkeit in zielgerichtetes Handeln um. Sie macht die dramatische Lage in ihrer Heimat sichtbar und fordert mehr humanitäre Hilfe und Ressourcen ein.

„Der Bedarf ist enorm, doch die Finanzierung ist im Vergleich zum Ausmaß der Krise viel zu gering. Sie genügt nicht, um unsere Hilfe auszuweiten und mehr Menschen zu erreichen“, sagt sie.

Lokale Initiativen stärken ihre Gemeinschaft

In vielen abgelegenen Regionen kümmern sich Freiwillige selbst um die Versorgung ihrer Gemeinden – mit viel Einsatz und Kreativität. „In Sudan ist gegenseitige Hilfe nichts Neues. Solidarität gehört zu unserer Kultur“, sagt Yousif.

Die Helfer*innen stammen aus den betroffenen Gemeinden. Sie wissen genau, was gebraucht wird und handeln sofort: Sie organisieren Gemeinschaftsküchen, kochen täglich warme Mahlzeiten, helfen bei Evakuierungen, teilen Informationen über sichere Fluchtwege, versorgen Verletzte, bringen Wasser und reparieren Stromleitungen.

̽ѡ arbeitet eng mit diesen Gruppen zusammen, stellt Material bereit und setzt sich weltweit dafür ein, dass sie auch in Zukunft weiterhelfen können.

Persönliche Erfahrungen mit Vertreibung

Eatizaz wurde selbst bereits drei Mal vertrieben – zuletzt aus Khartum, wo sie mit ihrer Familie lebte. Ihre Angehörigen brachte sie rechtzeitig aus dem Land in Sicherheit sind.

Für Yousif bedeutet Vertreibung auch, ein Stück Würde zu verlieren – ein Gefühl, das viele vertriebene Familien teilen. „Wenn man es selbst erlebt, braucht es Zeit, das zu verarbeiten“, erklärt sie. „Niemand kann dieses Gefühl wirklich nachvollziehen, solange man es nicht selbst durchlebt.“

Auch viele Teammitglieder sind von ihren Familien getrennt. „Es gibt keinen Ort mehr, den wir Zuhause nennen können – weder heute noch in nächster Zeit. Die meisten von uns leben in Unterkünften, die wir mit anderen teilen.“

Eatizaz Yousif, ̽ѡ-Landesdirektorin in Sudan, steht vor einem Gebäude in Berlin und richtet den Kopf zur Seite.
Eatizaz Yousif, ̽ѡ-Landesdirektorin in Sudan, wirbt bei einem Besuch in Berlin um internationale Solidarität für die größte humanitäre Krise weltweit.
Foto: Hannah Belina für ̽ѡ

“Diese Krise ist von Menschen verursacht – und deshalb kann sie auch von Menschen gelöst werden. Ich hoffe nur, dass es bald geschieht. Die sudanesische Bevölkerung steht kurz vor dem Zusammenbruch.”

Trotz der schweren Situation verliert Yousif nicht die Hoffnung. Obwohl sie seit fast zwei Jahren nicht mehr in ihrem Zuhause leben kann, trägt sie den Hausschlüssel immer noch bei sich.

„Wenn ich diesen Schlüssel bei mir habe, spüre ich, fühlt es sich an, als hätte ich mein Zuhause noch nicht verloren“, sagt sie. „Ich habe das Gefühl, dass ich immer noch einen Ort habe, an den ich zurückkehren werde. Das ist ein Teil meiner Identität. Denn solange man den Schlüssel bei sich trägt, glaubt man daran, dass man zurückgehen und die Tür wieder öffnen kann. Aber wenn man ihn loslässt, verliert man auch die Hoffnung.“

Wie unterstützt ̽ѡ die Menschen in Sudan?

Um dem wachsenden Bedarf gerecht zu werden, hat ̽ѡ die Arbeit in Sudan ausgeweitet. Es unterstützt Gemeinden im ganzen Land und auch in Nachbarregionen: mit Gesundheits- und Ernährungsangeboten, Schutz für Frauen und Kinder, finanzieller Unterstützung sowie sauberem Wasser, Hygiene und sanitären Einrichtungen.

Kurz nach Ausbruch des Konflikts im April 2023 begann ̽ѡ seine Arbeit in Wad Madani im Bundesstaat Al-Jazirah. Dort erhielten Binnenvertriebene aus Khartum medizinische Hilfe und Nahrung – bis das Büro aus Sicherheitsgründen geschlossen und das Team an einen anderen Ort verlegt werden musste.

Aktuell ist ̽ѡ in den Bundesstaaten Blue Nile, Khartum, Gedaref, River Nile, South Kordofan und White Nile im Einsatz und betreibt ein Büro in Port Sudan.

In den Teilen Khartums, die derzeit sicher erreichbar sind, erhalten die Menschen direkte Hilfe von ̽ѡ. Zusätzlich leisten lokale Partnerorganisationen Unterstützung in den Gemeinden.

Wie kann ich den Menschen in Sudan helfen?

kannst du die wichtige Arbeit von ̽ѡ in Sudan und weltweit unterstützen. Unser Team ist vor Ort und hilft in mehr als 40 Krisengebieten – auch in Ländern, die auf der ̽ѡ Emergency-Watchlist 2025 stehen.

Hier erfährst du mehr über die zehn größten Krisen, die die Welt 2025 nicht ignorieren darf, und über die Emergency-Watchlist.